• +49 60 32 93 89 758
  • kowitz@impress-konzepte.de

Mediationen sind kein Gruppenevent

by

09 13, 2011 | 0 comments

Abteilungsmediationen liegen voll im Trend

Als ich kürzlich eine Bekannte anrief, war diese voll im Stress. Sie musste zu einer Mediation. Zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit, sollte sie jetzt auch noch zur Problemlösung ihrer Kollegen beitragen, stöhnte sie ins Telefon. Warum und wie, wusste sie nicht, aber jeder in der Abteilung war aufgefordert worden, zur Abteilungsmediation zu kommen. Getreu dem „Lasst uns einfach gemeinsam meddieren, dann wird alles wieder gut“, glaubte die einladende Führungskraft, dass eine Mediation die beste Medizin für das schlechte Betriebsklima innerhalb seiner Abteilung sei.

Tatsächlich kann eine Mediation in Konfliktsituationen wahre Wunder bewirken und bei den Konfliktparteien eine langfristige und konstruktive Befriedung erreichen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Mediation ist aber die Definition und Eingrenzung der Konfliktparteien und vor allem das Vorliegen eines konkreten Konflikts. Diffuse Verstimmungen und eine schlechtes Betriebsklima lassen sich nicht mit einem solchen Pauschalangebot lösen. Im Gegenteil, die Eskalationsgefahr und die Konfliktdynamik können durch ein solches „Gruppenevent“ sogar zunehmen.

Bei der besagten Abteilungsmediation haben die Initiatoren gleich zwei gravierende Fehler gemacht, die den erfolgreichen Ausgang der Mediation gefährden.

Der erste Fehler ist die Größe des Teilnehmerkreises. Die ganze Abteilung gleichzeitig zu Wort kommen zu lassen, bringt nicht nur zeitlich Herausforderungen mit sich. Um zu einer Lösung des Konflikts zu finden, muss ein Mediator die Medianten dazu bringen, ihre hinter den jeweiligen Postionen liegenden unbefriedigten Interessen und verletzten Bedürfnisse zu erkennen. Auf dem Weg zu dieser Selbsterkenntnis werden viel Offenheit verlangt und Emotionen freigesetzt. Das tut niemand gerne vor großem Publikum. Die Hemmschwelle kann zu einer unüberwindbaren Hürde werden. Keiner outet sich schließlich gerne seiner gesamten Abteilung.

Vor Beginn einer Mediation muss der Mediator deshalb die jeweiligen Schlüsselpersonen des Konflikts identifizieren. Je nach Eskalationsgrad ist es möglich, dass die Konfliktarena d.h. der in den Konflikt involvierte Personenkreis recht groß ist. Ähnlich wie bei einem Verkehrsunfall ist es aber unwahrscheinlich, dass alle um das Unfallgeschehen „Herumstehenden“ auch am Unfall beteiligt sind.

Konfliktparteien sind nur diejenigen, die am Konflikt beteiligt sind, indem sie am Geschehen als Akteure in irgendeiner Form mitwirken. Durch Koalitionen zwischen den Gruppenmitgliedern können Konfliktparteien aus mehreren Personen bestehen. Generell haben Konflikte die Tendenz zur Ausweitung der Arena, da sich die Parteien Bestätigung und Unterstützung bei ihrer Gefolgschaft holen.

Bevor der Mediator eine Mediation plant, führt er deshalb Gespräche mit dem Auftraggeber und den potentiellen Konfliktparteien, um sich ein genaues Bild von der Situation zu machen. Zur Lösung des Konflikts ist es wichtig, dass zu Beginn nur diejenigen zusammensitzen, die den Konflikt ausgelöst haben. Um den Personenkreis möglichst klein zu halten, sollten Gruppen aus ihrer Mitte heraus Interessensvertreter wählen. Während des Mediationsverfahrens kann der Teilnehmerkreis aber durchaus wechseln bzw. sich erweitern und auch wieder eingrenzen.

Der zweite Fehler in dieser Mediation ist die verpflichtende Teilnahme der Mitarbeiter. Eines der Grundprinzipien von Mediationen ist die Freiwilligkeit. Alle Teilnehmer, auch die mittelbar Beteiligten sollten vorher über die Grundlagen der Mediation aufgeklärt werden und selbst entscheiden dürfen, ob sie teilnehmen wollen. Nur durch die Freiwilligkeit und die darin liegende Erkenntnis, dass das Verfahren eine Lösung möglich machen kann, sorgt für die notwendige Offenheit und verhindert ein genervtes Stöhnen.

Unstrittig ist, dass durch erfolgreiche Mediationen das Betriebsklima verbessert wird. Auf der einen Seite erhöhen die Beteiligten ihre Kompetenzen, mit Konflikten und Unstimmigkeiten besser umzugehen. Durch die Einbindung bei der Umsetzung der Lösungen wird auf der anderen Seite das Selbstbewusstsein und die Motivation, sich einzubringen, gestärkt. Von der Ohnmacht und dem Rückzug kann auf dieser Basis wieder ein vertrauensvolles und konstruktives Miteinander wachsen. Auch die Deutsche Bahn AG täte gut daran, Mediationen als Bestandteil ihrer Unternehmenskultur zu verankern und die Mitarbeiter wieder aktiv an der Lösung der Probleme und Konflikte zu beteiligen. Das würde nicht nur auf Kundenseite merkbare Auswirkungen haben.

Eine neue Studie zeichnet ein düsteres Bild der Arbeitssituation in deutschen Unternehmen und Organisationen. Während die Belastungen zunähmen, verschlechtere sich das Betriebsklima, teilte die Universität Frankfurt am Montag mit. Die Arbeitsintensität nehme zu und Kollegialität schwinde.

Kultur des Klagens: Jammern ist ein Ritual, das die schlechten Zustände aufrecht erhält. (© Foto: dpa)                                        „Die Arbeitswirklichkeit unterliegt tiefgreifenden Veränderungen, die in den vergangenen Jahren noch an Geschwindigkeit zugelegt haben“, sagte einer der Leiter der Studie, Professor Rolf Haubl, der auch einer der Direktoren des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts ist.

Der Professor für psychoanalytische Sozialpsychologie hatte rund 1000 Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Supervision befragt. Supervisoren und Coacher beraten Unternehmen und Organisationen überwiegend im sozialen Bereich zu Themen wie Zusammenarbeit und Teambildung.

Ein Großteil der Unternehmen befindet sich laut Studie in turbulenten Veränderungsprozessen. „Der ökonomische Druck der letzten Jahre und der daraus entstehende ständige Reformzwang hat zu einer höchst problematischen ‚Blase‘ sich verdichtender Probleme in Organisationen geführt, die lange Zeit kaum wahrgenommen wurde, nun aber ‚platzen‘ könnte“, warnte Haubl. Den permanenten Umbau eines Unternehmens könnten viele Beschäftigte nicht mehr nachvollziehen und identifizierten sich deshalb nicht mehr mit ihrer Arbeit.

Das Bild der Führungskräfte habe sich ebenfalls verändert. Viele Mitarbeiter sehen in ihnen der Studie zufolge keine Wächter guter Arbeit und Qualitätsstandards mehr, sondern reine Manager, die profitable Veränderungen durchsetzen wollen.

Psychische und körperliche Probleme

„Die Beschäftigten beklagen sich, dass ihre Chefs oft die notwendigen Führungskompetenzen nicht mitbringen, um den Wandel für die Mitarbeiter erträglich zu gestalten“, so der Professor.

Auch Kollegialität und Solidarität schwinden laut Studie immer mehr. „Oft ist die Belegschaft in Gruppen gespalten, die sich gegenseitig das Leben schwer machen“, hieß es. All diese Faktoren führen laut Studie zu psychischen wie körperlichen Problemen. Anhaltende Überforderung führe zudem zu einer „Kultur des Klagens“. „Dieses Klagen ist keine angemessene Auseinandersetzung mit dem Problem, sondern dessen Ritualisierung, die es eher aufrecht erhält“, so Haubl.

Interessante Links

KPMG-Studie: Konflikte in Unternehmen verursachen hohe Kosten

Studie der Bundesregierung vom August 2011: Mieses Arbeitsklima belastet am meisten

Verhaltensstudie: Deutschland – Wo der Neid seltsame Blüten treibt

Motivationsprobleme belasten geistige Fitness

Die Deutsche Bahn( so die Süddeutsche Zeitung) hat offenbar ein schwerwiegendes Problem mit ihrem Betriebsklima. Die Mitarbeiter seien mehrheitlich demotiviert, berichtet die Financial Times Deutschland unter Berufung auf eine Untersuchung der Bahn. 70 Prozent der Teilnehmer einer betriebsinternen Umfrage hätten angegeben, sie seien von ihrer Arbeit frustriert – ein alarmierender Wert für die Konzernspitze, die um ein besseres Image bemüht ist.

Leave a Comment



Leave a Reply

Your email address will not be published.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>