Die Illusion von Angebot und Nachfrage
by Claudia Kowitz
02 20, 2016 | Posted in Allgemein | 0 comments
Preisakzeptanz wird nicht allein durch Güterknappheit sondern durch Anker bestimmt
Die herkömmliche Ökonomie geht davon aus, dass die Preise von Produkten auf dem Markt von zwei unabhängigen Kräften bestimmt werden: vom Preis der Produktion (Angebot) und der Kaufbereitschaft der Personen, die an diesem Produkt Interesse haben (Nachfrage). Dabei geht die klassische Nationalökonomie davon aus, dass der Preis, den der Einzelne für ein Produkt bezahlen will, einzig von dessen individuellen Ermessen und Wertvorstellungen abhängt.
Diese Annahme ist jedoch falsch. In zahlreichen Studien haben Wissenschaftler wie Dan Ariely herausgefunden, dass Verbraucher ihre Präferenzen und die Preise, die sie für ein Produkt zu zahlen bereit sind, nicht unabhängig vom Angebot definieren. Die Wissenschaftler haben gezeigt, wie in der realen Welt die Zahlungsbereitschaft manipuliert wird und ganz und gar nicht rationalen Grundsätzen folgt.
Grundlagen hierfür lieferten zahlreiche Tests an renommierten amerikanischen Hochschulen wie dem Bostoner MIT und der University of Pennsylvania. Dort untersuchten Verhaltensforscher inwieweit uns unsere ersten Eindrücke prägen und welche Auswirkungen der erste Preis, der uns geboten wird, auf unsere Zahlungsbereitschaft hat.
Heute gehören schwarze Perlen zu den begehrtesten Schmuckstücken der Welt. Das war nicht immer so. Ganz im Gegenteil. Nach dem 2. Weltkrieg hatte kaum jemand Interesse an ihnen. Erst als es dem italienischen Diamantenhändler James Assaels gelang, einen entsprechenden Anker zu setzen, indem er die Ware in einem Schaufenster in der New Yorker Fifth Avenue neben Diamanten platzierte, erlebte das schwarze Gold einen nie dagewesen Aufschwung und machte den pfiffigen Unternehmer noch reicher. Dass das Umfeld von Produktplatzierungen den Preis beeinflusst, darauf setzt die Werbebranche schon seit Jahren. Viel revolutionärer ist die Tatsache, dass wir unsere Anker auch völlig irrational setzen. In einem Versuch mussten Studenten hierfür zuerst die letzten beiden Nummern ihrer Sozialversicherungsnummer auf einem Zettel notieren. Anschließend sollten dies Preisgebote für verschiedene Produkte abgeben. Das Ergebnis war überraschend.Die Studenten mit den höchsten beiden Endziffern in ihrer Sozialversicherungsnummer gaben durchweg auch höhere Preisgebote für die einzelnen Produkte ab.
Anker beeinflussen jede Art von Kaufentscheidungen. Professor Uri Simonshon und George Loewenstein von der University of Pennsylvania fanden heraus, dass Menschen, die in eine andere Stadt umziehen, in der Regel an den Preisen verankert bleiben, die sie an ihrem vorigen Wohnort für ihr Domizil bezahlt haben. Das hat zur Folge, dass der Umzug in eine billigere Gegend sich positiv auf Größe und Ausstattung des Domizils auswirkt, eine teurere Gegend meist zu einer Verkleinerung der Ansprüche führt.
Anker sind nicht nur Folge von zufälligen Erstprägungen, sondern können ganz bewusst gesetzt werden.
Und da wird es für die Marketingbranche interessant.
Dan Ariely hat herausgefunden, dass Verankerungen wie z.B. Verkaufspreise wie UVP des Herstellers, in Anzeigen, bei Werbekampagnen, Produktpräsentationen u.v.m. die Zahlungsbereitschaft stark beeinflussen und damit die Nachfrage eben keine vom Angebot unabhängige Kraft ist. Grundlage dieser Behauptung ist wiederum ein Testergebnis bei dem der Verhaltensökonom zwei Studentengruppen zwei unterschiedliche Anker angeboten hat. Die erste Gruppe wurde gefragt, ob sie bereit wäre, an seiner zehnminütigen Lyriklesung teilzunehmen, wenn sie dafür 10 $ erhielte. Bei der anderen Gruppe wurde die Bereitschaft abgefragt, ob sie theoretisch 10$ dafür bezahlen würde. Anschließend sollten beide Gruppen ein Gebot für die Teilnahme an der Lesung abgeben. Das Ergebnis der Umfrage war eindeutig. Die Gruppe, der anfangs Geld geboten wurde, verlangte auch Geld fürs Kommen. Die andere Gruppe war bereit für die Lesung tatsächlich etwas zu bezahlen. Obwohl die Studenten nicht wussten, ob es eine gute oder schlechte Entscheidung sein würde, von Ariely Gedichte rezitiert zu bekommen, benützen sie die gesetzten Anker als Input für die nachfolgenden Entscheidungen.
Wie kann man aber diese Ergebnisse für die eigene Produktplatzierung und dessen Preis nutzen?
Natürlich gibt es hierfür keine einheitliche Strategie, da Produkte, Konkurrenten, Märkte und Konsumenten sehr vielfältig sind. Eine geeignete Strategie muss im Einzelfall erarbeitet werden. Dennoch zeigen die Ergebnisse von Ariely und seinesgleichen unter anderem, dass die Anfangspreise entscheidenden Einfluss die Akzeptanz einer Preiserhöhung haben. Wenn man Arielys Logik folgt, führen Schnäppchenpreise bei Produkteinführung zu Ankern, die im Anschluss nur schwer zu durchbrechen sind. Die Akzeptanz des Preises hängt in erheblichem Maße auch davon ab, welchem Produktumfeld der Verbraucher es zuordnet. Werbung sollte deshalb das Augenmerk auch auf die unmittelbaren Produktnachbarn des Segments richten und nicht nur auf die Stimulierung der Konsumentengefühle abzielen.
Wer noch tiefer in die Welt der Verhaltensökonomie eintauchen will und die besinnliche Weihnachtszeit unter anderem auch dazu nutzen will, den eigenen Horizont auf unterhaltsame Weise zu erweitern, dem empfehlen wir das Buch „Denken hilft zwar, nützt aber nicht“ von Dan Ariely. In dem Spiegelbestseller erklärt der Autor, wie unsere Entscheidungen gelenkt werden und weshalb wir in vielen Lebenssituationen zu unserem Nachteil handeln. Lesen lohnt sich, besser machen auch….
Das Impress-Konzepte Team wünscht allen Lesern
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